Netsuke Nummer: 180

Songokû

Elfenbein-Katabori. Der weltgereiste listige Affenkönig steht ein bisschen bucklig, mit einem kleinen Bäuchlein und leicht eingeknickten Knien gedankenvoll da. Die rechte Hand überschattet die Augen. Er ist reich gekleidet, der Brokat ist mit Wolken und Wellen dekoriert. In der Linken hält er den magischen Stab, auf dem Rücken trägt er ein kurzes Schwert. Am Gürtel hängt ein „Hängeding“, Sagemono. Das Gewand ist vorne köstlich verschnürt. Auf dem Kopf trägt er den Metallreifen, mit dem er von seinem Herrn diszipliniert werden kann. Im Rücken zwei gut gebohrte, ungleich gross, umringte Himotoshi. Die Beine stecken in Stiefeln, die auf einer kleinen Wolkenbasis stehen. Unterseitig die Signatur HOGYOKU (K258, K191). Höhe 57mm. Alter: 2. Hälfte 19.Jh. Ein reichhaltiges kunst- und ausdrucksvolles Stück.

 

Herkunft: gekauft am 22.3.2009 von Luigi Bonaria (The LUB-Collection) in Montagnola, Tessin.

 

SONGOKÛ: chin. Sun Wukong, der König der Affen, ist eine übernatürliche ambivalente Figur. Er wurde geboren „aus dem uranfänglichen Chaos als steinernes Ei aus einem Felsen, befruchtet vom Wind, geschaffen aus den reinen Essenzen des Himmels, den feinen Düften der Erde, der Kraft der Sonne und der Anmut des Mondes“. Bei daoistischen Meistern erlernte er die Fähigkeit zu kämpfen, sehr hoch zu springen – mit einem Saltosprung kann er sich 108‘000 li = 54‘000 km entfernen – und sich auf 72 verschiedene Weisen zu verwandeln. Jedes seiner Haare kann sich in sein Ebenbild und in alle Arten von Wesen und Dingen verwandeln. Er verfügt über eine Wolke, um zu fliegen, und besitzt einen Stab, der 13500 jin = 6750kg wiegt und seine Grösse von einer kleinen Nadel bis zu himmlischer Höhe beliebig verändern kann. Schamlos missbraucht er seine Künste für allerlei Streiche. Sein Meister, der Patriarch Subhuti, ermahnt ihn beim Abschied, niemandem zu verraten, bei wem er in die Lehre gegangen sei. Songokû ist ein Trickster. Auf dem Weg zu den Menschen – er ist mittlerweile 300 Jahre alt – verschafft er sich Kleider, indem er einen Fischer niederschlägt und diesen beraubt. Mit seinem bösartigen Verhalten verbreitet er Angst und Schrecken. Die Affen wählen ihn zu ihrem König. Tagtäglich hält er ausschweifende Gelage. Aber er will noch mehr – die Unsterblichkeit. Er besucht den Höllenkönig und den Drachenkönig. Unrechtmässig isst er von Seiôbos Pfirsichen der Unsterblichkeit und von Lao Tses Pillen des langen Lebens. Er legt sich mit den Göttern an. Mehrmals besiegt er sie, bis sie sich schliesslich an Buddha persönlich wenden und ihn um Hilfe bitten. Buddha schliesst mit Songokû eine Wette ab, dass dieser sich nicht aus Buddhas Hand werde entfernen können. Im Vertrauen auf seine enorme Sprungkraft geht Songokû die Wette ein. Er springt und findet sich in einer wüsten Landschaft mit fünf Zinnen wieder. Überheblich, wie er ist, uriniert er und hinterlässt eine grossspurige Nachricht. Dann springt er zurück in Buddhas Hand. Buddha heisst ihn sich umzudrehen. Da muss er schamvoll erkennen, dass die fünf Zinnen nichts anderes gewesen waren als Buddhas Finger. Daraufhin schliesst Buddha ihn für 500 Jahre in einen Berg ein. – Als um das Jahr 700 der chin. Weise Xuanzang (jap. Sanzô Hôshi) für sechzehn Jahre nach Indien reist, um buddhistische Schriften zu sammeln, wird ihm Songokû als Begleiter mitgegeben. Die Gottheit Kannon appliziert auf Songokûs Kopf einen Metallreifen, den sein Meister enger oder weiter machen kann, um Songokû zu disziplinieren. Von ihrer beider Reise und den zu bestehenden Aufgaben und Abenteuern berichtet der klassische chin. Roman „Die Reise in den Westen“. Für seine Dienste erlangt Songokû schliesslich Buddhaschaft.

 

Die Figur ist im ganzen südostasiatischen Raum bekannt und beliebt. Beziehungen zu der indischen Affengottheit Haniman werden diskutiert. Es existieren Tempel und Schreine zu seinen Ehren. Mao Tse Tung erwähnte ihn oft lobend als Beispiel von „Furchtlosigkeit im Denken und Tun, um China aus der Armut herauszuführen“.  Neuerdings gibt es Filme, Fernsehserien und Videospiele. Am 28.6.2007 wurde die Oper „Monkey, Journey tot he West“ uraufgeführt, eine Koproduktion des Manchester Festivals, der Staatsoper Unter den Linden in Berlin und des Théâtre du Châtelet in Paris.

 

HOGYOKU: Der Meinertzhagen Card Index on Netsuke in the Archives oft he British Museum datiert (p.164) diesen Künstler 1840-70. Er sei ein Schüler von Hojitsu gewesen, habe selbst Schüler gehabt, die ihn auch kopiert hätten. „Hogyoku’s Netsuke show fine craftmanship, and are characterized by much humorous expression and charme”.

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