Ungewöhnlich grosses einteiliges Elfenbein-Manjû. ø 55mm, Dicke 19,5mm, Gewicht 64g. Rundum beschnitzt. Auf der Vorderseite liegt ein schon etwas abgegriffener Shishi. Er ist umgeben von Päonienblüten, Knospen, Blattlaub und 2 weiteren Shishi. Auf der Unterseite zwei ungewöhnlich grosse, beeindruckende Himotoshi, eine rundes und ein ovales, beide tief ausgehöhlt und im Elfenbein zart umrandet. Unterseitig schöne goldgelbe Alterspatina. Alter: ca. 1.Hälfte 19.Jh., nicht signiert.
Herkunft: Auktion Koller, Zürich, 30.11.2021, Lot 366, für CHF RNUR.
Shishi, Karashishi, Komainu – Tempellöwe. König der vierfüssigen Tiere, Symbol der Kraft. Den Japanern nur von chin./ind. Darstellungen her bekannt. Das Reittier von Monju Bosatsu, Shubaka, Shôki und Shaka. Ähnelt ein wenig unserem Löwen, „kleiner als ein Tiger, gelb- oder goldfarben, mit einem langen Schwanz“. Manchmal ist eine Ähnlichkeit zu Pekinesen zu erkennen, manchmal zu Drachen. Meist sind sie mehr drollig als angsteinflössend. Sie können in einer Nacht 500 Meilen laufen. Allein mit ihrem Gebrüll reissen sie andere Tiere auseinander. Sie stehen paarweise am Eingang der Tempel, grimmig, mit lockigem Fell, einer männlich, eine weiblich, sagen gemeinsam die heilige Silbe ‘A-um’, einer stellt Yin dar, der andere Yang. Einer hat das Juwel Tama in Händen, oft auch eine lose Kugel im Maul. Shishi sind assoziiert mit dem Wasserfall, dem Symbol der unerschütterlichen Kraft der buddh. Lehre. Sie leben in heiligen Tälern „in den westlichen Marchen Chinas“, umgeben von Päonien. In letzterem Zusammenhang sind sie ein Symbol königlicher, bzw. adeliger Macht. Sie erziehen ihre Jungen, indem sie sie Felsen hinunterstossen. Wer überlebt, überlebt. Shishi mit Jungen sind ein Symbol eines glücklichen Familienlebens.
Päonie, Pfingstrose, Botan. Paeonia suffructicosa. Die Königin unter den Blumen.
Shishi und Päonien kommen in dem Nô-Theaterstück «Shakkyô» (steinerne Brücke) vor. Die steinerne Brücke in den Ch’ing Liang Bergen in China besteht seit Urzeiten. Sie wurde von den Göttern errichtet, sie ist nur einen Fuss breit, sehr lang und führt über einen tiefen Abgrund hinüber ins Paradies. Nur Geläuterte können sie überschreiten. Vor dem Mönch Jakushô, der den Übergang ersehnt, vollführt ein Shishi, Abgesandter des Boddhisattva Manjusri, einen kunstvollen Tanz, umgeben von einem Blütenreigen von Päonien. Die Kombination von Shishi und Päonien gilt als ein Glück und Frieden verheissendes Zeichen.